Kundenzentrierung

als Managementleitlinie

Ein Paradigmenwechsel

Der Begriff Paradigmenwechsel beschreibt einen Vorgang, bei dem unsere Grundauffassung oder Vorstellung von einer bestimmten Sache durch eine komplett neue Auffassung ersetzt wird. Ein gutes Beispiel dafür sind Unternehmen, die zu einer kundenzentrierten Organisation werden. Und damit meine ich Unternehmen, für die die Customer Experience wesentlich mehr ist als eine reine IT-Infrastruktur. Vielmehr geht es um das Leitbild eines Unternehmens: um die Verpflichtung und die gemeinsame Mission, den Kunden zu begeistern.


Beitrag von unserem Gastautor Johannes Ceh
Value Enhancer & Kolumnist Lead-Digital

Im Folgenden möchte ich daher den Paradigmenwechsel hin zu einem kundenzentrierten Unternehmen
beschreiben. Zugleich werde ich von den Hürden auf dem Weg dorthin berichten und davon,
welche Erkenntnisse ich aus meiner Tätigkeit als Customer Experience-Berater gewinnen konnte.

1. Customer Experience ist ein fortlaufender Prozess

Laut einer Studie von Capgemini schätzen sich 75 Prozent aller Unternehmen bereits als kundenzentriert ein. Die Konsumenten sind jedoch keineswegs der gleichen Ansicht. Nur 30 Prozent der Befragten stimmten der Aussage der Unternehmen zu. Ein positives Kundenerlebnis ist ihnen jedoch so wichtig, dass acht von zehn Teilnehmern der Studie angaben, dass sie für ein gutes Kundenerlebnis zusätzliches Geld ausgeben würden.

Die entscheidende Frage ist, was Unternehmen unter Customer Experience verstehen. Schaut man einmal genau hin, dann wird das Verständnis meist von den eingesetzten Methoden und Mitteln in einzelnen Unternehmensbereichen geprägt. So kann es beispielsweise sein, dass es zwischen IT, Marketing, Vertrieb und Service völlig unterschiedliche Auffassungen von Customer Experience gibt. Nicht nur von Abteilung zu Abteilung, sondern auch innerhalb eines Teams kommt dies vor. Die unterschiedlichen Auffassungen sind wiederum organisch auf Basis der zu erfüllenden Aufgaben und eingesetzten Mittel entstanden.

Dabei bedeutet Customer Experience im ursprünglichen Sinn die ganzheitliche Gestaltung aller für das Kundenerlebnis relevanten Kontaktpunkte. Dazu gehören unter anderem Marke, Produkt, Einkauf und Service. Was daraus folgt ist, dass die Customer Experience als eine Entwicklung verstanden werden muss, die das gesamte Unternehmen betrifft. Dafür braucht es eine quer durch das Unternehmen und auf allen Ebenen geteilte gemeinsame Vorstellung von Customer Experience.

Kundenzentriert heißt immer auch, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Wenn ein Unternehmen seine Kunden nachhaltig begeistern will, braucht es seine Mitarbeiter. Nur gemeinsam kann diese Aufgabe gelingen. Employee Experience und Customer Experience sind daher direkt voneinander abhängig. Nur aus einer gemeinsam entwickelten Vorstellung heraus kann man die Zukunft und ein erstklassiges Erlebnis für den Kunden gestalten. Dies ist kein einmaliger Vorgang mit Start- und Zielpunkt. Es ist ein fortlaufender Prozess.

2. Customer Experience ist eine Investition in Qualität und Nachhaltigkeit

In ihrem Buch „Killing Marketing“ analysieren Joe Pulizzi und Robert Rose innovative Unternehmen. Sie schauten sich an, wie es diesen Unternehmen gelingt, Marketingkosten in Gewinne umzuwandeln. Mit Blick auf die Ergebnisse ihrer Untersuchung sagten die beiden Autoren vorher, dass das Marketing nur dann seine Daseinsberechtigung behalten wird, wenn heutige Strukturen und Profitcenter abgeschafft werden.

Eine der größten Herausforderungen dabei ist die Tatsache, dass Unternehmen es gewohnt sind, Prozesse nach Effizienz zu beurteilen. So können Unternehmensberatungen wie McKinsey zwar aktuelle Untersuchungen liefern, inwieweit Entscheider oder Mitarbeiter davon ausgehen, dass in ihrem Unternehmen eine „digitale Kultur“ und Kundenzentriertheit vorherrschen. Wie dieses die tatsächliche Effizienz des Unternehmens beeinflusst, zeigt sich allerdings meist erst nach Jahren. Tiefgreifende Veränderungen und die Entstehung einer neuen Kultur brauchen Zeit.

Competence Book

CRM goes CXM - für eine neue Qualität der Kundenbeziehung

Jetzt kostenlos bestellen

3. Agilität & Collaboration wollen gelernt sein

Kaum ein Begriff wurde in den vergangenen Jahren derart zum Buzzword wie Agilität: Die entscheidende Frage ist für mich auch hier: Was genau meinen wir mit diesem Begriff? Wozu und wie wird Agilität eingesetzt? Was haben wir dabei erlebt? Was lernen wir und unsere Teams dabei? Wenn wir offen und ehrlich mit diesen Fragen umgehen, können wir das vorhandene Potenzial voll ausschöpfen.

Nicholas Drake, Executive Vice President und Chief Digital Officer von T-Mobile US, verriet kürzlich: „Könnte ich drei Jahre in die Vergangenheit zurückgehen, würde ich Agilität und Collaboration noch viel konsequenter vom ersten Tag an umsetzen. Wir müssen als Organisation sicherstellen, dass wir überall dort sind, wo der Kunde uns wirklich braucht. Wir müssen ihm einen Schritt voraus sein. Dann kann jeder Mitarbeiter seinen Beitrag dazu leisten.“

Begriffe wie Agilität, Collaboration oder Transformation zu verstehen, ist nicht das Entscheidende. Wirklich wichtig ist unsere Denkweise. Unsere Einstellung dazu und unsere Erfahrung. Die McKinsey-Studie "Culture for a digital age" hat gezeigt, dass es oftmals an der „digitalen Denkweise“ im Unternehmen mangelt. Das behindert wiederum den Wandel.

4. Welche Arten der Zusammenarbeit Innovation fördern

Eine Untersuchung der Universität von Tennessee bestätigte die gängige Annahme, dass Kollaboration Innovation fördert. Die positiven Effekte neuer Arten der Zusammenarbeit konnte beispielsweise P&G mit dem kollaborativen Entwicklungskonzept „Connect & Develop“ für sich nutzen. Oft wird das mit neueren Plattformen wie Slack oder Asana assoziiert. Dabei ist die wohl bekannteste Arbeitsplattform Slack bei weitem nicht für jede Aufgabe das optimale Tool. Bereits vor Slack wurden nützliche Collaboration Tools entwickelt.

In manchen Unternehmen scheint die Konsequenz aus einem jeden Meeting zu sein, dass ein neuer Slack-Kanal zum jeweiligen Thema eingerichtet wird. Tim Leberecht von Leberecht & Partners fragt daher: „Inwiefern hilft uns dieses Hyper-Kommunizieren noch wirklich bei unserer Arbeit weiter? Wie viele halbtote und ungenutzte Slack-Kanäle brauchen wir noch? Kollaborieren wir uns selbst zu Tode?“

Umso wichtiger ist die bewusste Auswahl und Nutzung von Collaboration Tools. Es lohnt sich, die Eigenheiten, Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Plattformen zu verstehen und die Vor- und Nachteile eines jeden Tools abzuwägen. Manche Tools sind Chat-orientiert, andere bilden ganze Wertschöpfungsketten ab und vereinfachen diese. Bewusste Nutzung heißt auch zu verstehen, dass Collaboration Tools mehr können als die alten, angestaubten Intranet-Kommunikationskanäle. Wenn Mitarbeiter Raum zum Nachdenken haben und gleichzeitig zum offenen Austausch von Know-how motiviert werden, kann die Kraft der Community dazu genutzt werden, dieses Know-how gemeinsam weiterzuentwickeln. Herausforderungen kann man am besten aus diesem gemeinsamen Schaffensprozess heraus begegnen. Einzelne Kanäle oder Interessen sind dabei nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist die Customer Experience. Die unterschiedlichen Blickwinkel ergänzen sich, damit ein begeisterndes Kundenerlebnis geschaffen werden kann.

5. CRM ist NICHT Stiefkind, sondern Rückgrat

Während in den letzten zwei Jahrzehnten konsequent E-Commerce, Social Media, Apps, Programmatic in Marketing-, Vertriebs- und IT-Abteilungen priorisiert wurden, rückte CRM in Unternehmen immer weiter in den Hintergrund. CRM wurde als nerdig, langweilig und langsam belächelt. Ein gefährlicher Trugschluss. Durch die „nach hinten Priorisierung“ ist in vielen CRM-Systemen ein massiver Backlog entstanden. Dieser Backlog kann bedeuten, dass ein Interessent zwar 10-Mal einen Cappuccino-Retargeting-Banner bekommt, weil er sich mal auf der Website der BMW Autohaus-Cafeteria umgesehen hat, jedoch weder im Netz noch bei einem Besuch im Autohaus selber jemand versteht, dass derselbe Cappuccino-Interessent in Wirklichkeit ein Kunde ist, der seit 20 Jahren BMW fährt. Die Kundenhistorie als Rückgrat der Beziehung und Experience? Schön wäre es.

Und falls es jemand offiziell braucht: Am 3. März 2018 las Philipp Westermeyer die Heilige Messe. In seiner Präsentation „State of the German Internet“ präsentierte der Online Marketing Rockstars Chef, in welchem Bereich sein Team die besten Chancen für Unternehmen sieht, im Online-Marketing den positiven Unterschied zu machen. Ganz vorne mit dabei: Customer-Relationship-Management (CRM). Doch leider musste Westermeyer in seiner Analyse ebenfalls feststellen, dass es schwierig ist „wirklich gutes CRM zu finden“, schließlich wurde es ja in vielen Unternehmen „nach hinten priorisiert“.

 
 

Umso wichtiger ist der Austausch zu dem „was gutes CRM braucht“ und „was eine Andockung von CRM zum gesamten Ökosystem mit Online-Marketing“ braucht? Aus diesem Hintergrund habe ich zusammen mit dem Investor und OMR Urgestein André Alpar den Dialog mit cobra bei den Online Marketing Rockstars geführt. Die cobra Vorgehensweise „CRM goes CXM“  beschreibt genau diesen strategischen Management Paradigmenwechsel sehr genau. Umso wichtiger, der fortlaufende aktuelle Austausch mit Experten.

Schließlich sind Paradigmenwechsel komplex. Sie müssen erlebt und erlernt werden, um wirklich verinnerlicht zu werden. Alte Paradigmen sind widerstandsfähig, da sie Sicherheit zu versprechen scheinen. Auf das neue Paradigma zu vertrauen, muss ein Unternehmen erst lernen. So ist es auch bei der Kundenzentrierung. Es braucht eine klare Haltung seitens der Führungsebene und eine ernsthafte Investition in die Entwicklung des Unternehmens, in die Wertschöpfung, in die Mitarbeiter und in den Kunden.

 

Herzliche Grüße

Johannes Ceh